Montag, 28. Mai 2012

Quasselstrippen

Was macht eigentlich, Olaf Thon? Die Schalker Ikone hat schon lange nicht mehr von sich reden gemacht. Doch das mit dem Reden wird sich ändern. Für die anstehenden Euro 2012 verpflichtete RTL erneut den vereinslosen Thon als TV-Experten, nachdem Thon für RTL seit 2006 bereits drei Turniere kommentiert hatte. Ob der der 90er Weltmeister anno 2012 wohl ins Schwelgen gerät? Zum Beispiel, wie er bei der Euro 88 Dänemark in seinem Schalker Parkstadion einen Treffer einschenkte...

Daneben erhält Thon in RTL-Bachelor Paul Janke einen schillernden Kollegen. Der Oberligakicker des Hamburgischen Klubs Niendorfer TSV soll wahrhaftig für die Zeit der Euro den RTL-Flirt-Experten geben und die holde Damenwelt zum Fußball missionieren. Thon selbst hat sich für diese unvermeidliche Aufgabe vermutlich bereits vor einem Jahrzehnt disqualifiziert. Damals gestand er dem Spiegel exklusiv und unverblümt ein: „Lothar Matthäus hatte mehr Frauen als ich.“

Nun denn. Zur Analyse, dass auch in Polen und der fernen Ukraine der Ball rund ist, kann Thon immerhin auf ein Potpourri an Zitaten aus seinen Spielertagen zurückgreifen. Meist im gestelzten, professoralen T(h)on gesprochen, weisen Thons Weisheiten eine erstaunliche polyvalente (!) Kompatibilität auf. Zwei Paradebeispiele gefällig? Bitte schön: „Niemand ist perfekt, auch nicht der Ball.“ oder „Man darf das Spiel nicht so schlecht reden, wie es wirklich war.“

Und siehe da, Olaf Thon ist nicht allein. Mehmet Scholl analysiert die EM im Ersten, Olli Kahn im Zwoten, Michael Ballack für ESPN. Selbst Mario Basler versucht sich erneut als Experte. Nicht für RTL Zwo, Basler geht für den Diskounter Netto unter die Blogger. Laut der Diskounter-Webseite wird Basler in seinem EM-Blog „nicht nur handfeste Tipps für einen perfekten Grillabend, er berichtet auch in seiner ureigenen Art von der Fußball-Europameisterschaft - vor und nach den Spielen.“

Von einer großflächigen Zeitungsanzeige grinste mich der Blogger Basler neulich mit erhobenen Daumen an. Und für Fußballfreunde, die an Baslers Lippen hängen, hat der Anzeigentext sicher verheißungsvoll geklungen. So stand dort im beißenden Basler-Sprech: „Portugal, Holland, Dänemark. Die hätte ich früher alleine abgeschossen.“ Dann mal, gute Nacht allerseits. Diese Euro 2012 wirft bisweilen gnadenlos ihre Schatten voraus…

Samstag, 19. Mai 2012

Finale dahoam

FC Bayern versus Chelsea Football Club im Bayern-Wohnzimmer: das Champions League-Finale elektrisiert die Massen. 62.500 Zuschauer finden in der Allianz Arena Platz, bis zu 8.000 Euro sollen Karten auf dem Schwarzmarkt wert sein. In 200 Länder wird das Spiel übertragen, bis zu 200 Millionen Menschen werden an den Bildschirmen das „Finale dahoam“ live sehen können.


Drei Mal fand bisher ein Landesmeisterfinale in München, damals im Olympiastadion, statt. Doch weder 1979, 1993 oder 1997 erreichten die Bayern diese Endspiele. Anders als 2012. Uli Hoeneß hob das „Finale dahoam“ daher schon in himmlische Höhen empor. Es sei „das Highlight in der Geschichte des FC Bayern“. Bisher gewannen die Bayern allein vier Mal den Europapokal der Landesmeister respektive die Champions League, jeweils einmal den UEFA-Pokal sowie den Pokalsiegercup. Dennoch wäre ein noch so dreckiger Sieg versus Chelsea vermutlich für die Bayern ein Triumph für die Ewigkeit.


An vier dieser Europapokalsiege wie auch an vielen weiteren Bayern-Titeln war auch Bayerns Torwartlegende Sepp Maier maßgeblich beteiligt. Nur beim Endspiel gegen Chelsea heißt es „Koan Maier“ und hier scheint sich der Vorhang für eine kleine bajuwarische Komödie zu öffnen. Denn offenbar vergaß der Rekordmeister sein Torwart-Idol bei der Ticketvergabe. So vertraute die „Katze von Anzing“ dem kicker fauchend an: „Bis jetzt habe ich keine Karten bekommen. Ich laufe denen aber auch nicht hinterher oder bettle darum.“


Es riecht also für Sepp Maier gewaltig nach einem eigenen „Finale dahoam“, als einer dieser 200 Millionen Fernsehzuschauer. Das scheint dem Maier-Sepp aber nicht ganz ungelegen zu sein, wie er gegenüber dem kicker weiterfauchte. Da habe er seine Ruhe und könne bei einer guten Flasche Wein alles analysieren. Seine Frau und sein Hund Batzendorfer schauten auch zu. Und Batzendorfer bekomme einen Bayern-Schal angezogen.


Ja mei, Batzendorfer und sein Schal in Ehren. Aber hätte SAT 1 den Maier-Sepp auf seine alten Tage nicht als Co-Kommentator engagieren können? Sozusagen, Seite an Seite mit Finalkommentator Wolff(-Christoph) Fuss. Die „Katze von Anzing“ wäre geradezu prädestiniert, Herrn Fuss im Falle einer Hyperventilation nach einem Tor einzufangen. Oder nach dem Spiel den Kerner. Oder der Maier-Sepp hätte Herrn Fuss zumindest Schnupftabak anreichen können…

Donnerstag, 17. Mai 2012

Tea Time mit Frank Lampard

The Road to Munich 2012. Der Chelsea Football Club hat nach 2008 zum zweiten Mal überhaupt ein Finale der Champions League erreicht. Das ist eine kleine Geschichte über Chelseas Altstar Frank Lampard, der Chelsea als Kapitän in dieses Finale im Wohnzimmer der Bayern führen wird. Und auch irgendwie über einen gewissen Dave Dawes, Chelsea-Fan und Lotto-Millionär.

Frank Lampard sei „der beste Mittelfeldspieler der Welt“, sagte einmal Jose Mourinho über ihn. Doch seitdem ist mehr als ein halbes Jahrzehnt vergangen und Mourinho längst nicht mehr Trainer an der Stamford Bridge. Lampard stolziert noch immer mit seiner number eight für Chelsea über die Rasenrechtecke. Bilder, wie Lampard und Chelsea-Skipper John Terry errungene Pokale wie jüngst den FA Cup in die Höhe stemmen, gehören irgendwie zu diesem Chelsea. 

Doch, an dem bald 34-jährigen Lampard nagt längst der Zahn der Zeit: Verletzungen, mangelnde Fitness, Formschwankungen. Das sah auch Andre Villas-Boas so. Mourinhos früherer Assistent, den hatte Roman Abramowitsch im Sommer 2011 für 15 Millionen Euro Ablöse nach London gelotst. Villas-Boas war gerade einmal nine months Chelseas Coach, bis Abramowitsch ihn wieder vor die Tür setzte. Das Verhältnis des erfolglosen Villas-Boas zu Chelseas Stars war angeblich so zerklüftet wie ein schottischer Rübenacker im November.

In der Premier League trennten die Blues unter Villas-Boas plötzlich Lichtjahre von dem Gipfel, den sich die beiden Klubs aus Manchester teilten. Folglich sah Abramowitsch offenbar auch in der Königsklasse Chelseas Felle davonschwimmen. Chelseas Oldies, nicht viel älter sind als der junge Protugiese selbst, wollte Vilas-Boas offenbar der Reihe nach in Rente schicken. Angeblich wollte er mehr barca'eskes Flair an der Stamford Bridge verbreiten. 

Spazierte Lampard mit Mourinho einst Arm in Arm vom Rasen, soll er mit jenem Villas-Boas kaum ein Wort gewechselt haben. Und fand sich öfter auf der Ersatzbank wieder, als ihm lieb war. Unter Roberto Di Matteo, dem Nachfolger von Villas-Boas , änderte sich dies. Di Matteo hält mehr von Lampard, ebenso wie Chelsea-Fan Dave Dawes, der Lampard ebenfalls stets die Stange gehalten hatte. Nur auf eine andere Weise.


Dave gewann im Oktober 2011 im britischen Lotto 101 Millionen Pounds und war damit auf einen Schlag Chelseas bekanntester Supporter. Er hatte zuvor den erst dritten Lottoschein in seinem Leben abgegeben. In der yellow press erschienen dann Fotos, wie Dave und seine blonde Gattin Angela stolz grinsend ein Chelsea-Trikot mit dem Schriftzug 101 Million in die Kameras hielten. Auf die Frage, was sie mit ihren vielen Pounds anfangen würden, sagten sie:
„Toll wäre eine Wohnung an der Stamford Bridge. Dann könnten wir Frank Lampard zum Tee einladen.“

Tea Time mit Frank Lampard, klingt toll. Nur bisher hat Lampard sich bei Dave und Angela noch nicht blicken lassen. Vielleicht hat Lampard nach diesem Münchner Finale und der Euro etwas mehr Zeit für Dave und Angela. Gegen die Bayern wird Lampard nun anstelle des gesperrten John Terry Chelseas Skipper geben. Falls Chelsea nach dem Halbfinale-Coup gegen Barca auch bei den Bayern triumphieren sollte, werden Terry und Lampard den dicken silbernen Henkelpokal wohl wieder gemeinsam heben. Dies kündigte Terry bereits an.

Für Lampard  könnte München, nach der dramatischen 2008er Finalpleite von Moskau, die letzte Chance hierzu sein. Er wird halt nicht jünger. Oder nicht? Denn Lampard plant like Ryan Giggs, bis zum jüngsten Tag die Stiefel zu schnüren. Ausschließlich für den Chelsea Football Club versteht sich. Seinen großen Fans Dave und Angela dürfte dieser Plan gefallen...

Sonntag, 13. Mai 2012

Hoch lebe der „Pöhler“!

Zurzeit lässt Jürgen Klopp einen leicht glauben, dass er schier alles kann. Außer vielleicht Champions League. Früher war Klopp schon Brillenträger des Jahres, TV-Bundestrainer an verschwörerischen Taktiktischen mit Kerner und Jauch und so etwas wie der Mainzer Jahrhunderttrainer. Zwei Mal Meistercoach, nach einem gewaltigen fünf zu zwo gegen die Bayern ist er seit gestern Pokalsiegertrainer und holte damit erstmals das Double an den Borsig-Platz.

Beim BVB herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die BAMS titelte bereits kürzlich wenig subtil, aber vermutlich treffend: „Das BVB-Herz schlägt KLOPP; KLOPP; KLOPP.“ Selbst der stern erhob Klopp vor Kurzem auf seinen Titelblatt und sezierte die Klopp'sche Kunst der Motivation. Doch obacht, Klopp kann noch mehr. Er huldigt seit Jahresbeginn mit seiner Kappe dem „Pöhler“. Klopp sagte mal, er trage sie, weil ihm gefalle, wie intensiv im Pott Fußball gelebt werde!


Nur ist das mit den „Pöhlern“ so eine Sache. In nordwestdeutschen Breitengraden, etwa im Emsland (#SV Meppen), besteht die zumeist einzig messbare Qualität eines Pöhlers darin, Bälle lang und weit nach vorne zu „pöhlen“. Die Spielkultur des Kick & Rush hätte ihm vermutlich gut gelegen. René Werner vom emsländischen Fußballportal amateurmarkt.de erklärt:

„Was ist ein Pöhler? Der Pöhler verkörperte zu meiner aktiven Zeit den Fußballer mit dem härtesten unkontrollierten Schuss! Ob nun Libero, Vorstopper, Verteidiger oder Stürmer – allesamt alle konnten den Pöhler verkörpern! Dank/durch Jogi uns seinen Mannen schien er ausgestorben, doch schaut einmal in die Fläche der Hobbykickerei so findet man den ein oder anderen Exoten der alten Gattung.“

Doch mit dem „Pöhler“ der nordwestdeutschen Güte ein Double zu gewinnen, wäre selbst für Jürgen Klopp schwierig gewesen. Es wurde landläufig viel über den „Pöhler“, dem Kloppo huldigt, gerätselt und erklärt. Daher hat der LIBERO bei jemandem nachgefragt, der auf den Rasenrechtecken des Ruhrgebiets sozusagen das Gras wachsen hört: bei Buchautor und VfL Bochum-Edelfan Ben Redelings.

Ben, in Teilen Norddeutschlands kloppt ein "Pöhler" die Pille lang und weit nach vorne. Ist der Pöhler zum Beispiel aus Bochum derselbe Typ?

„Die Sache mit dem "Pöhler" auf der Kappe von Klopp ist sogar etwas komplizierter. >Lass uns pöhlen gehen<, sagen hier in der Gegend kleine wie alt gewordene Jungs, wenn sie sich zum gepflegten Kick verabreden. Früher, als es noch bedeutend weniger Autos gab, pöhlte man tatsächlich gerne auf der Straße oder auf Hinterhöfen, später dann auf Wiesen und Bolzplätzen. Wenn einer besonders schöne Schuhe dabei trug, waren das schon einmal "geile Pöhler", die er da präsentierte.Heute nennt man ganz allgemein alle, die auf dem Platz keine >Muscheltaucher, Vollfriseure oder Eisverkäufer< (O-Ton Peter N.) sind, Pöhler!“

Dank Ben Redelings wissen wir nun: jeder ist ein Pöhler. Das lässt sich hören!

Doch, die Pointe dieser kleinen Geschichte ist noch eine andere. Man muss wissen, dass in den sprachlichen Breitengraden Nordwestdeutschlands der Begriff „Pöhler“ noch eine weitere Bedeutung hat. Denn dort werden an Kanälen liegende Schiffsanleger entweder Poller oder in ihrer umgangssprachlichen Ausformung „Pöhler“ genannt. Soweit, so gut.

Und, wer hätte es gedacht? Richtig, sie sind alle schwarz-gelb. Der BVB und Kloppos Kappe lassen grüßen. In diesem Sinne, hoch lebe der „Pöhler“!

Freitag, 11. Mai 2012

So wie der Himmel auf Erden

Mein Kumpel ist leidenschaftlicher HSV-Anhänger. Meist ist er fanatisch, was  Werder angeht, verfügt aber über ein St. Pauli-Trikot. Ob es damit zu tun hatte, dass er es mit seinem HSV zuletzt ziemlich schwer hatte? Ich weiß es nicht. Ich weiß hingegen, dass der HSV seinem epochalen ersten Abstieg nicht oft näher war als in diesem Frühling 2012. Das olle „Hamburg, meine Perle“ ging meinem Kumpel kaum noch über die Lippen.

Weit öfter stimmte er hingegen Klagelieder an, wonach „der ganze Mist“ mit Manni Kaltz nicht passiert wäre. Da Kaltz, der „König der Bananenflanken“, längst in Rente ist, wurde mein Kumpel kreativ. Er baute sich in einem Karton einen HSV-Schrein, inklusive eines Fotos von „Uns Uwe“, dem HSV-Restprogramm und einer Kerze. Dazu gesellte er einen Gartenzwerg im stilechten HSV-Dress. Wohl wahr. Ich frage mich allerdings noch immer, ob mein Kumpel sich der gefährlichen Symbolik so ganz bewusst war…

Nun denn, nachdem der Schrein erst einmal stand,  gelang es seinem HSV tatsächlich, dem befürchteten Abstieg noch zu entrinnen. Das bedeutet: die ewige HSV-Bundesliga-Uhr läuft weiter. Doch trotz Klassenerhalts verstreicht für den Dino in den roten Hosen ebenso – und recht erbarmungslos - die Zeit ohne Titel. Man sollte wissen, 2012 ereignet sich für den großen, ehrwürdigen HSV ein trauriges Jubiläum: er ist seit 25 Jahren titellos. Daran wird auch das DFB-Pokalfinale zwischen dem BVB und den Bayern nichts ändern.

Es war einmal vor einem Vierteljahrhundert. Genauer gesagt am 12. Juni 1987, als der HSV den DFB-Pokal dank eines 3:1 im Endspiel gegen die damals zweitklassigen Stuttgarter Kickers gewann. Kapitän Thomas von Heesen stemmte den Pott danach in den Himmel. Der stets von meinem Kumpel besungene „König der Bananenflanken“ steuerte gar den vorentscheidenden Treffer zum 2:1 bei.


Vielleicht sollte mein Kumpel seinen Schrein einfach stehen lassen, um das Ende dieses Fluches der Titellosikeit heraufzubeschwören. Denn 2013 wäre das Double theoretisch doch möglich, oder etwa nicht? 30 Jahre nach dem Sieg im 83er Cup der Landesmeister wäre dies für meinen Kumpel so etwas wie der Himmel auf Erden. Gewiss, für mich als Werder-Daumendrücker weniger.

Doch anders als mein Kumpel verzichte ich künftig lieber auf solch krude Schrein- oder Kerzenrituale. Selbst wenn sie dieses Double verhindern würden. Warum? Es war im trüben Herbst 2010: da drohte Werder im Sumpf des Bundesligakellers zu versinken. Daher meinte ich, meinen Werder-Wimpel an der Wand mehrmals umdrehen und (schier voodoohaft) beschwören zu müssen. Unter uns gesagt, es half rein gar nichts.

Als letzter Ausweg schien mir das Anzünden einer grün-weißen Kerze übrig zu bleiben. Eine solche hatte ich in einer Schublade liegen und mich ohnehin gewundert, wie verdächtig deren Design dem Trikot Celtic Glasgows ähnelte. Da Werder schließlich beim VfB Stuttgart (0:7!) unterging wie einst die Titanic, flackerte diese ominöse Kerze nur für einen Nachmittag. Seitdem halte ich solche Rituale für buchstäblicg „verbrannt“.

Schaun’ mer also mal, wie lange mein Kumpel mit diesem Schrein weiter auf den nächsten HSV-Titel warten muss.Ach ja, bevor ich es vergesse. Celtic Glasgow gewann übrigens an besagtem Nachmittag. Nur, was heißt gewann. Celtic zerlegte den FC Aberdeen, ebenso ein 1983er Europapokalsieger, regelrecht: mit sage und schreibe 9:0…

Dienstag, 8. Mai 2012

Athletic Bilbao Olé

Morgen steigt in Bukarest ein Europapokalfinale. Zwei spanische Klubs treffen aufeinander. Und, kaum zu glauben: es handelt sich nicht um den Stierkampf „Clasico“ zwischen Barca und Real, der uns alle ein gefühltes halbe Dutzend Mal pro Saison die Zunge schnalzen lässt. Es muss also tatsächlich noch weitere Klubs im spanischen Königreich  geben, die nicht Barca oder Real heißen. Darauf erst einmal ein zünftiges Olé!

Es sind Atletico Madrid und Athletic Bilbao, die in diesem besagten Bukarester Endspiel den Sieger im UEFA-Pokal der Europa League ausfechten. Atletico gegen Athletic. Das hört sich verdammt ähnlich an. Und ist es auch. „Atletico Madrid, die Tochter von Bilbao“, titelte hierzu unter anderem der österreichische Kurier und spielt auf die  historische Anekdote an, wonach Atletico Madrid ursprünglich ein Ableger Bilbaos ist. Es war 1903, als  Studenten, die eigentlich dem Athletic Club de Bilbao angehörten, Atletico Madrid gegründet haben. Olé!

Späte Rache hierfür werden die Basken aus Bilbao sicherlich nicht nehmen wollen. Sondern vermutlich einfach ihr zweites Europapokalendspiel gewinnen wollen. Im ersten Endspiel war Bilbao anno 1977 noch Juventus Turin unterlegen. Gewinnen, zum Beispiel durch das Siegtor von Urgestein Fernando Llorente. Der baumlange Mittelstürmer, an dem Barca reges Interesse haben soll, hatte Athletic kürzlich in letzter Minute gegen Sporting Lissabon ins Endspiel geschossen. Olé!

Bilbaos Jungstar Iker Muniain hat dagegen eher die Statur eines gewissen Lionel Messi. Mancherorts heißt es, Muniain sei ein besonderer Spieler, der ein Stadion in Ekstase versetzen könne. Deshalb nennen Muniain viele „Basken-Messi“. Apropos Ekstase. Der „Basken-Messi“ träumte nach eigenem Bekunden sogar davon, das Siegtor zu schießen. Bei einem Triumph Bilbaos kündigte dieser 19-jährige  „Basken-Messi“ bereits vollmundig an, sich den Pokal tätowieren lassen zu wollen. Olé!

Der Baske an sich ist halt eigenwillig. So wie Athletic Bilbao selbst, das als Paradoxon des modernen Fußballs ausschließlich Kicker mit baskischen Wurzeln rekrutiert. Olé!

Was die Trikotwerbung angeht, wurde das baskische Bollwerk allerdings schon etwas brüchig. Seit 2008 ziert Bilbaos Brust den Schriftzug eines brasilianischen Mineralölkonzerns. Für so manchen feurigen Anhänger Bilbaos war diese Neuerung sicher nicht nur ein gewaltiger Schlag auf die Baskenmütze, sondern vielleicht schon eine gefühlte kleine Revolution. Dennoch bleibt Athletic Bilbao eine der letzten Bastionen der Fußball-Romantik, wie das folgende Kleinod über Bilbaos legendären Rechtsaußen  Joseba Etxeberria beweist.

In Bilbaos Fußball-Kathedrale San Mamés, wo unter anderem Manchester United und Schalke in dieser Euro League-Runde auf Granit bissen, rief man Etxeberria stets „El Gallo“ (der Hahn).Und, „El Gallo“ verzichtete einst aus Dankbarkeit tatsächlich in seiner 15. und letzten Saison im rot-weißen Bilbao-Dress komplett auf seine Gage. Darauf ein finales Olé!

Samstag, 5. Mai 2012

Eine Ode auf Carlos Alberto

In den letzten Tagen dieser Saison 2011/12 besteht die größte Freude als Werder-Daumendrücker darin, dass diese 49. Spielzeit einfach nur vorbei ist, die Abschlusstabelle in die Almanache gedruckt wird und gut. Da werden selbst eiserne HSVer zustimmen.
Es gilt, schnell dieses Inferno von Werders schlechtester Rückrunde ever zu vergessen. Das einst leuchtende Grün im Werder-Wappen scheint allmählich zu einem tristen Grau verblasst. Das alles fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem 1992er Europapokalsieg, bei dem Klaus Allofs im Finale von Lissabon Torschütze war und Thomas Schaaf  den Stürmern des AS Monaco den Ball abhechelte.

Flankiert wird der Stillstand im Mittelmaß von dem Exodus langjähriger, teurer Werder-Stars. Ja, wo gehen sie denn nur alle hin? Özil zaubert  seit zwei Jahren für Real, Frings kickt seit einem Jahr noch ein bißchen in Kanada, Merte ein bißchen mehr für Arsenal. Nun werden Borowski, Rosenberg, Silvestre oder auch Marin folgen. Und Tim Wiese? Real Madrid? Nicht ganz so „königlich“, Hoffenheim. Vergessen wir nicht Pizarro und Naldo, die  längst ungeduldig mit den Hufen scharren.
Marko Marin angelte sich bekanntlich Chelsea, der Champions League-Finalist und Barca-Besieger. Wer zunächst an einen verspäteten Aprilscherz glaubte, wird sich bei Marins kolportierter Ablösesumme vermutlich wie Klaus Allofs die Hände gerieben haben. Stolze acht Millionen Euro sollen die „Blues“ für Marin springen lassen. Offenbar hält Chelsea-Coach Di Matteo Marin tatsächlich für den „German Messi“. Spinnen die Briten etwa?
Chelsea hat sich doch nicht etwa davon blenden lassen, dass Marins Nachname ebenso fünf Buchstaben lang ist wie Messis oder Marin bei Werder die Messi-Trikotnummer zehn trug. Oder haben Chelseas Scouts etwa zu oft Marins Werbespot für einen Klebehersteller angeschaut? Spätestens seitdem dürften sie wissen, dass nur Pattex stärker an Marins Fuß klebt als alle Bälle aus der weiten Welt des Fußballs. Welch groteske Zeit, „the German Messi played in Bremen“ und keiner hat‘s bemerkt…
Als Werder-Daumendrücker erhält man derzeit oft hämische Hinweise, wonach Werders Zukunft nun auf klangvolle Kickern wie Trybull, Hartherz oder Füllkrug beschränkt sein wird. Sportschau-Onkel und Werder-Edelfan Reinhold Beckmann wähnte sich kürzlich beim Doppelpass-Besuch daher schon in Tolkiens „Mittelerde“. Moderator „Wonti“ Wontorra,  übrigens nebenbei kritischer Werder-Kolumnist, grinste dazu nur staatsmännisch. Ja, die fetten Jahre an der Weser sind definitiv vorbei.
Der Beckmann hat gut reden. Denn, jetzt singt er auch noch. Hiermit ist kein Ansage-Sing-Sang in der Sportschau gemeint. Auch nicht, wie er weiland als Kommentator des 2006er WM-Endspiels erkannte, dass der fröhliche Tony Christie-Schlager „The way to Amarillo“ aus den Stadionboxen plärrte, während Franzosen und Italienern vor dem Elfmeterschießen gewaltig die Knie zitterten. Nein, Beckmann hat seine musische Seite entdeckt und ist zu einer Art Chansonnier avanciert.
Neulich gab er mit seiner Combo Band im Hamburger NDR-Funkhaus ein Live-Konzert. Das Publikum wusste zuvor nicht, dass Beckmann ihnen gleich etwas in die Ohren summen wird. Und: Hört! Hört! Offenbar ist Beckmanns Gästen nicht einmal hören und sehen vergangen. Für den Einspieler „Bremen“ mit dem Refrain Einmal mir dir nachts durch Bremen sollen Beckmann & Band fürwahr Standing Ovations geerntet haben.

Ob Klaus Allofs und Thomas Schaaf ebenfalls mitgeklatscht hätten? Fraglich. Schließlich hätte man Beckmanns Liedchen, mit einem Augenzwinkern gesagt, auch vielleicht als Ode auf Carlos Alberto verstehen können.

Carlos Alberto, jene nachtschwärmerische und ziemlich teure Galionsfigur der jüngeren Bremer Einkaufspolitik, dessen Namen sich Allofs und Schaaf in jeder Transferperiode aufs Brot schmieren lassen dürfen.Eine Ode auf diesen Ballkünstler do Brazil, damit hat in diesen grauen Werder-Zeiten nun wirklich niemand rechnen können…