Als Fußball-Kommentator ist Béla Réthy schier ewig dabei, doch an Réthy scheiden sich die Geister. Die einen halten Réthys Kommentare für kompetent und verleihen ihm Preise. Es existieren gar Poetry-Slammer, die Réthy in poetischen Höhen erhoben haben und nach dem inneren Béla Réthy suchen.
Den nächsten Fußballfreunden kommen Spiele mit Réthy am Mikro ewig vor, viele von ihnen schimpfen dann auf Réthy wie die Rohrspatzen. Die meisten tun dies mehr oder weniger heimlich vor ihrem Fernseher, vereinzelte sollen sogar den Ton abschalten. Andere wiederum vertwittern ihren Verdruss und bedauern mit deutlich weniger als 140 Zeichen, den Ton nicht abgeschaltet zu haben.
Mache ich mich jetzt etwa angreifbar, wenn ich gestehe, dass ich Réthy meist einfach weiter zuhöre? Und man stelle sich vor, das klappt. Zum Beispiel beim EM-Halbfinale 2008 war das eine perfekte Strategie, da aus heiterem Himmel der Ton ausgefallen war und Réthy das deutsche Duell gegen tapfere Türken im Radio-Stil weiterkommentieren musste. Das ließ sich hören. Doch Réthy hin oder her. Es gibt fürwahr Schlimmeres: deutschen Rumpelfußball anno 2000. Damals spielte es keine gesteigerte Rolle, wer uns die Fehlpässe der Ramelows oder die verkniffene Miene von Teamchef Erich Ribbeck erklärte...
Ja, bei dem gestrigen Vorrundenspiel zwischen der Ukraine und Frankreich schien die Donbass-Arena zu Donezk im Regen zu versinken. Die Euro 2012 hat somit ihre eigene Wasserschlacht, so wie einst die 1974er WM in Frankfurt zwischen Deutschland und Polen. Der Fußball-Gott lässt so etwas nicht allzu oft geschehen und ließ Béla Réthy damit gewaltig im Regen sitzen. Die Partie wurde für 57 Minuten unterbrochen. Réthy war gezwungen, aus dem Nähkästchen zu plaudern.
Mensch, dabei hat sich Réthy doch stets lieber an Fakten gehalten. Fürwahr, die Erinnerung an den Jauch'schen Dialog mit Marcel Reif wird bei so manchem aufblitzen. Doch anders als in Madrid ging es gestern nicht um ein gefallenes Tor. Es passierte noch mehr, Réthy saß im Regen und ließ in jenen langen 57 Minuten eingehüllt in ein absurdes Regencape einen vermeintlich harmlosen Satz fallen.Nicht etwa wie vor der Euro, als er in einem belanglosen Sport Bild-Interview erklärte, dass er seine sonore Stimme mit Zigaretten und Salbeibonbons ölt.
Béla Réthy sagte gestern im entnervten Tonfall: „Mensch, jetzt fehlt mir nichts mehr ein!“ An diesem Abend des in der Nachschau zur „Wasserschlacht von Donezk“ bald hochgejazzten ukrainisch-französischen Duells, könnte dieses Sätzchen fürwahr Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker gewesen sein. Vorausgesetzt natürlich, sie hatten den Ton noch nicht abgeschaltet…
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