Es geht los! Den ersten Anstoß bei der Themenwoche „50 Jahre Bundesliga - Typen, Titel und bloß nicht wie Tasmania“ macht TRAINER BAADE und sucht in 50 Jahren Bundesliga vergeblich nach konstanten Rivalen des FC Bayern, erinnert sich an Erlebnisse des jungen Trainer Baade in München und an die erste Sternstunde des belgischen Torwartkönigs Jean-Marie Pfaff im Tor des Rekordmeisters.
In den nun bald 50 Jahren des Bestehens der Bundesliga wird eines verzweifelt und ebenso erfolglos gesucht: Ein
konstanter Rivale des FC Bayern München. Nur sechs Jahre währte die Phase von Einführung
der Bundesliga bis zu Bayerns erstem Titel 1969, ab da war alles anders und
sollte es bis heute bleiben. Der Eintrag "FC Bayern München" ist Stammgast auf
der Salatschüssel. Ein Umstand, den kein anderer Bundesligaclub für sich in
Anspruch nehmen kann.
Große Rivalen gab es jedoch einige in diesen fünf Dekaden, allein, keiner
konnte sich dauerhaft etablieren. Als die Borussia aus dem kleinen
Mönchengladbach, bis dahin der ärgste Konkurrent der Bayern, 1979 den
UEFA-Pokal gewann, sollte Berti Vogts mit seiner Weissagung Recht behalten:
"Schaut ihn Euch gut an, es wird auf lange Zeit der letzte Pokal sein, den
man in Mönchengladbach zu sehen bekommt."
Die so entstandene Lücke füllte zunächst der 1. FC Köln, anschließend
in seiner einzigen Hochphase in der Bundesliga der Hamburger SV unter den
Fittichen von Manager Günter Netzer. Deutscher Meister 1979: Hamburger SV, der
erste Titel in der Bundesliga. Doch die Bayern, die in der zweiten Hälfte der
1970er Jahre geschwächelt hatten wie noch nie zuvor, hatten mittlerweile Paul
Breitner zurückgeholt, Karl-Heinz Rummenigge stand im Zenit seiner Fähigkeiten
und so wurde dann doch der FC Bayern gleich zwei Mal in Folge wieder Meister.
Vizemeister jeweils: der Hamburger SV, welcher sich prompt 1982 seinerseits
erneut den Bundesliga-Titel sicherte.
So begann die Saison 1982/1983 unter dem Vorzeichen, dass sich diese
zwei großen Teams um den Titel duellieren würden, welche unter sich auch die
letzten vier Meistertitel ausgespielt hatten. Der FC Bayern hatte außerdem
weiter aufgerüstet, im Tor stand seit dieser Saison der Nationaltorwart Belgiens:
Jean-Marie Pfaff. Dessen Bundesligadebüt hätte unglücklicher kaum verlaufen
können, als er sich in seinem ersten Spiel im Dress der Bayern einen Einwurf
von Uwe Reinders selbst ins Tor bugsierte und mit diesem Eigentor die
0:1-Niederlage der Bayern besiegelte. Pfaff stand deshalb durchaus unter Druck
beim Weltclub Bayern München.
Der HSV hingegen hatte ein Aufrüsten kaum nötig, befanden sich doch mit
Felix Magath, Horst Hrubesch, Manfred Kaltz oder Uli Stein schon länger
internationale Ausnahmekönner im Kader. Mit Ernst Happel verfügte man gar über
einen Trainer der Extraklasse an der Seitenlinie. So deutete schon am 9.
Spieltag jener Saison 1982/1983 Vieles darauf hin, dass sich der FC Bayern und
der HSV erneut um den Titel streiten würden, als der Spielplan diese beiden
Teams im Süden der Republik zusammenführte.
Das Oktoberfest nur wenige Tage zuvor beendet, ein mit 72.000 Zuschauern
ausverkauftes Olympiastadion in München; keine Selbstverständlichkeit in jenen
Bundesliga-Tagen;der FIFA-Schiedsrichter Walter Eschweiler an der Pfeife und
beide Teams mit allen ihren Stars an Bord, so begann die verheißungsvolle
Begegnung der zwei großen Meisterschaftsfavoriten.
Wo auch jener Grund ins Spiel kommt, aus dem der Autor diese Partie für
den vorliegenden Zweck auswählte. Denn der kleine Trainer Baade war damals
jung. Und wenn man jung ist, muss man tun, was die Eltern sagen. Diese hatten
sich zu einem Ausflug nach München entschlossen, mit dem "Rosaroten
Ticket" der Deutschen Bahn, einem Vorläufer des "Schönes-Wochenend-Ticket",
welches Jahre später etliche Fußballfans für ihre Auswärtsfahrten nutzen sollten.
Doch dieser Ausflug nach München diente nicht dem Fußballschauen, sondern dem
Erkunden der Stadt München. Deutsches Museum natürlich, Frauenkirche,
Viktualienmarkt, Karl-Valentin-Museum, solcherlei Dinge. Ein Besuch des Olympiaparks
samt Olympiastadion war erst am folgenden Sonntag geplant, wenn die Zuschauermassen
dieses Gipfeltreffens schon längst
wieder heimgekehrt sein würden.
Wie es 1982 eben so war, gab es keine mobilen Informationsgeräte und so
schlich der junge Trainer Baade durch die Stadt und begann ab 17.15h und in der
folgenden Dreiviertelstunde unablässlich, Passanten nach dem Ergebnis dieses
Schlagerspiels auszufragen. Zunächst vergeblich, doch irgendwann füllten sich
die U-Bahn-Stationen immer mehr mit aus dem Olympiapark zurückkehrenden
Bayern-Fans, von denen einer endlich ein Herz hatte, und dem wissbegierigen
Jungen die Auskunft erteilte, wie
diese Partie denn nun ausgegangen war.
Jene Partie, nur wenige Kilometer weit entfernt gespielt, welche; so
schien es nach einer halben Stunde; der HSV für sich würde entscheiden können.
Ein Doppelschlag von Jürgen Milewski und Horst Hrubesch brachte die Hamburger
mit 2:0 in Front. Jener Horst Hrubesch, welchem schon im EM-Finale 1980 zwei Tore
gegen Jean-Marie Pfaff gelungen waren. Doch die Bundesliga wäre über die nun
bald 50 Jahre ihres Bestehens hinweg kaum so beliebt geblieben, wenn da nicht
immer die Hoffnung mitschwänge, dass man einen solchen Rückstand noch umdrehen
könnte.
Genau diese Hoffnung des FC Bayern und seiner Anhänger erhielt Nahrung,
als Paul Breitner nur kurz nach der Pause einen Foulelfmeter (Hieronymus an
Dürnberger) zum Anschlusstreffer verwandelte. Kaum überraschend war es etwas
später der zweite Teil des Duos "Breitnigge"; wie Kapitän Breitner
und Adjutant Rummenigge in jenen Tagen vom Boulevard tituliert wurden; der in
der 65. Minute den Ausgleich erzielte: Karl-Heinz Rummenigge traf zum 2:2.
"Alles wieder offen", wird einer der Kommentatoren des Spiels
da wohl ins Mikro gerufen haben. In sein Mikro der ARD-Rundfunkkonferenz, denn
Pay-TV mit Live-Übertragungen gab es ja noch nicht. Alles wieder offen und noch
25 Minuten zu spielen, da sollte doch noch ein Törchen möglich sein für den
Hausherrn FC Bayern. Doch statt den psychischen Vorteil des gerade erzielten Ausgleichs
zu nutzen, zitterten die Bayern nun wieder vor einem Gegentor, welches ihnen
den mit dem Ausgleich möglichen einen Punkt wieder entrissen hätte. Die
Hamburger drängten stattdessen ihrerseits auf das Siegtor.
Jean-Marie Pfaff patzte in der letzten halben Stunde der Partie mehrfach
bei Flanken, zu seinem Glück ohne Folgen. Die Hamburger kamen zu gleich einigen
Chancen, erzielten aber kein Tor. Bis der HSV in der letzten Spielminute eine
Flanke in den Münchner Strafraum hereinbrachte und Bayerns Verteidiger Udo
Horsmann von allen guten Geistern verlassen im Stile eines Volleyballers hinter
dem Ball herhechtete und ihn möglicherweise mit der Hand zur Ecke lenkte.
Klarer Fall von Elfmeter, fand die rheinische Frohnatur Walter Eschweiler, und
entschied auch so. Damit waren nicht alle im Stadion einverstanden, war die
vermeintliche Berührung doch nur schwer zu erkennen gewesen.
Tumulte im Stadion und Tumulte auf dem Platz waren die Folge. Tumulte,
wie man sie selten in einem Stadion des FC Bayern erlebt. Wolfgang Kraus ging
Walter Eschweiler gar physisch an, Paul Breitner musste die Münchner Fans in
der Kurve direkt hinter jenem Tor beruhigen, auf welches der fällige Strafstoß
getreten werden sollte. Es dauerte geschlagene sechs (!) Minuten, ehe dieser in
der Nachspielzeit der Partie endlich ausgeführt werden konnte. Und zum Punkt
schritt niemand Geringeres als der erfolgreichste Elfmeterschütze, den die
Bundesliga je gesehen hat: Manfred Kaltz.
Ob der Rekordelfmeterschütze der Bundesliga tatsächlich, wie Uli Köhler
im Video unten vermutet, durch die lange Wartezeit bis zur Ausführung nervös
geworden war oder einfach ohne besonderen Grund unkonzentriert war, lässt sich
nicht beurteilen. Wie dem auch gewesen sein mag: Der sonst so sichere Schütze
Kaltz platzierte den Ball nur knapp rechts neben Jean-Marie Pfaff, der den schwachen
Strafstoß locker parierte und den Ball sogar festhielt. Das Münchner Publikum
war aus dem (Glasdach-) Häuschen und Jean-Marie Pfaff; 8 Spiele nach seinem
Fauxpas gegen Reinders; der gefeierte Held des FC Bayern, der auf Schultern vom Platz getragen wurde.
Die gesamte, denkwürdige Partie fasst das folgende Video zusammen, ein
zufällig von jenem Uli Köhler erstellter Beitrag, welcher auch heute noch über
den FC Bayern berichtet und sich inzwischen selbst als Star begreift.
Wie Jean-Marie Pfaff danach gefeiert wurde und wie er in schönstem Deutsch-Flämisch
Interviews gibt, zeigt hingegen das folgende, noch sehenswertere Video. Darin
verrät Pfaff zudem, dass er ohnehin in Belgien auch schon "ein paar
Elefmeters gestoppt" habe. Pfaff
also ein Elfmeterkiller, eine Kunde, die aus dem fernen Belgien noch nicht bis
in den Freistaat Bayern vorgedrungen war. Auf diese Weise lernten es die 72.000
im Stadion allerdings gleich durch Augenschein. Und Manfred Kaltz ebenfalls.
Zum besseren Verständnis dieses schönen deutsch-flämischen Mischmaschs,
den Pfaff darin produziert: "Hucke" bedeutet Ecke. Und
"Klöre" bedeutet Farbe.
Ein rauschendes Fußballfest also, mit einem besonderen Helden des Nachmittags,
Pfaff, und einem großen Verlierer Manfred Kaltz; geholfen hat's am Ende aus
Münchner Sicht jedoch nichts. Deutscher Meister wurde in der Saison 1982/1983
trotzdem der Hamburger SV, die Bayern nur Vierter. Allerdings hatten die Bayern
und der damals große HSV einen echten Höhepunkt der bald 50 Jahre
Bundesliga-Historie auf den Rasen des Münchner Olympiastadions gezaubert.
Einen Höhepunkt, an den man sich heute noch in Rückschauen erinnert,
und dessen Überbleibsel der kleine Trainer Baade am nächsten Tag in Form von
Fankonfetti und sonstigen Resten großer Feierlichkeiten im Olympiastadion
begutachten konnte. Vorm geistigen Auge sich natürlich die Szene vom Vortag
vorstellend, wie Pfaff abtaucht, pariert und den Großteil des Stadions in einen
Tempel der Freude verwandelt. Eltern, die mit ihren Kindern eine Stadt
besuchen, sind stets früh auf den Beinen; der Reinigungsdienst im
Olympiastadion wohl eher nicht so, hatten seine Angestellten vielleicht
ebenfalls den dramatischen Punktgewinn etwas ausgiebiger gefeiert, welcher
berauschend wie ein Sieg wirkte. Für Jean-Marie Pfaff war es ja tatsächlich
einer.
Mit Witz, spitzer Feder gilt Trainer Baade als „Guru der Fußball-Blogger“. Stets auf Ballhöhe schreitend kürte das Magazin 11 Freunde sein Blog jüngst zum „Besten Fanmedium“ in Deutschland. Gemeinsam mit Kees Jaratz veröffentliche Trainer Baade kürzlich das Buch „111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“. Über jenes urteilte die WAZ: „Absolut lesenswert ist es. Und das Zeug zum Klassiker hat es auch.“
Mit Witz, spitzer Feder gilt Trainer Baade als „Guru der Fußball-Blogger“. Stets auf Ballhöhe schreitend kürte das Magazin 11 Freunde sein Blog jüngst zum „Besten Fanmedium“ in Deutschland. Gemeinsam mit Kees Jaratz veröffentliche Trainer Baade kürzlich das Buch „111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“. Über jenes urteilte die WAZ: „Absolut lesenswert ist es. Und das Zeug zum Klassiker hat es auch.“
3 Kommentare:
Der kleine Zechbauer war damals im Stadion - Danke für diese Rückblende!
Ach, der kleine Zechbauer war im Stadion. Das is ja n Ding. Schön, dass man es durch diesen Anlass erfährt.
Ich war nicht da, weil ich zu klein war und meine Eltern sich nicht wirklich für Fussball interessiert haben. Trotzdem hat mich der Artikel mitten reinversetzt in diese Zeit. Danke dafür ;-)
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