Freitag, 11. Oktober 2013

Nebulöser Neuneinhalber

Es ist gar nicht so einfach in der weiten Welt des Fußballs auf Ballhöhe zu bleiben. Die Tage einer Saison vergehen so rasant wie David Odonkor einst über die Flügel sprintete. Verfügte Jogi Löw etwa noch neulich über eine ansprechende Stürmer-Garde, sieht es vor den Länderspielen gegen Irland und in Schweden geradezu mau aus, in der Spitze von Löws Nationalelf. Daher kam mir nun ein Ereignis in den Sinn, welches ich längere Zeit verdrängt hatte. Es geht um einen circa ein Jahr alten Donnerstagskicker, der mir zuletzt in die Hände fiel, als ich das Altpapier entsorgte.

Der Wind blätterte wie in einem schlechten Film die letzte Seite auf und von dort sprach plötzlich eine Bundesliga-Legende exklusiv zu mir.  »Was machen Sie eigentlich, Manni Burgsmüller?« hatte der kicker  den noch immer amtierenden Rekordtorschützen des BVB (135 Treffer) in der Bundesliga gefragt. Und Burgsmüller sollte wortreich davon schwelgen, wie er dank Otto Rehhagel einst als Methusalem Werder Bremens noch mit 38 Jahren die Meisterschale in die Höhe stemmen durfte. Dazu war von seinem Bedauern zu lesen, zum Ende der wilden 70er nur ganze drei Mal den DFB-Adler auf der Brust getragen zu haben.

Burgsmüller unkte, damals  seiner Zeit voraus gewesen zu sein und vorortete sich selbst als »Neuneinhalber« Er sei eine »neuneinhalb« gewesen, fuhr er fort, wie sie Dortmunds Marco Reus oft bei Borussia Mönchengladbach gegeben habe.  Reus sei zwar schneller unterwegs, er selbst, also Burgsmüller, wäre dafür torgefährlicher gewesen. Und siehe da, das schier zeitlose Schlitzohr Burgsmüller unkte weiter, jene Position womöglich erfunden zu haben. Leider hätten die früheren Bundestrainer Derwall und Schön geradezu verkannt, so bedauert Burgsmüller, dass er als zurückgezogene Spitze am stärksten gewesen sei. Keine Rede war hingegen von den seinerzeit kapitalen Konkurrenten wie Kalle Rummenigge oder Klaus Fischer. Was schließt man daraus? Offensichtlich war für derlei nebulöse »Neuneinhalber«, damals die Zeit noch nicht reif, zumindest in der Nationalelf .

Was besagten Klaus Fischer angeht, vergaß good old Manni Burgsmüller allerdings zu erwähnen, wie Fischer anno 1977 in seiner Paradedisziplin gegen die Schweiz das deutsche Tor des Jahrhunderts erzielte. Und Burgsmüller? Der stand an jenem Abend, an dem er im Stuttgarter Neckarstadion sein Debüt mit dem Adler auf der Brust feierte, in der Nähe von Fischers Geniestreich entfernt und schaute dem Schalker »Fallrückzieher-König« zu.


Nur wenige werden im Übrigen wissen, dass Burgsmüller an jenem Abend selbst ein durchaus sehenswertes Fallrückziehertor unter die Unterkante der eidgenössischen Latte zimmerte, welches letztlich nicht zählen sollte. Im YouTube-Kosmos findet man als »Burgsmüller Bicycle Kick«. Dennoch wabert es im Kernschatten von Fischers Jahrhundertor ebenso nebulös vor sich hin wie Burgsmüller weiland den »Neuneinhalber« gab.


Ob Jogi Löw einen juvenilen Burgsmüller gegen Irland in dessen Paraderolle hätte gebrauchen können? Wir werden es nie erfahren...

 

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